Klimabündnis Karlsruhe fordert Klimaneutralität bis 2035

Forderungen an den Gemeinderat übergeben

Aus Anlass des globalen Klimastreiks der Fridays for Future-Bewegung hat das Klimabündnis Karlsruhe am heutigen Freitag, den 25. März 2022, den Fraktionen im Karlsruher Gemeinderat seinen klimapolitischen Forderungskatalog übergeben. In Anwesenheit von Vertreter:innen von sechs Fraktionen des Karlsruher Gemeinderats stellten Sabine Hübner (Sprecherin) und Johannes Hermann (Fridays for Future Karlsruhe) den Forderungskatalog im BUZO-Umweltzentrum vor.
Eine Übersicht über die wichtigsten Forderungen können Sie hier herunterladen.
Den vollständigen Katalog der Forderungen finden Sie hier: http://www.klimabuendnis-karlsruhe.de/forderungen.

Wir dokumentieren hier den Beitrag von Sabine Hübner und die ersten Stellungnahmen der Fraktionen:

Sabine Hübner (Sprecherin) erläutert bei der Pressekonferenz am 25.3.22, wie der Forderungskatalog des Klimabündnisses erarbeitet wurde.

“Ich begrüße Sie, die Stadträtinnen und Stadträte sowie die Pressevertreterinnen und Pressevertreter – herzlichen Dank, dass Sie der Einladung des Klimabündnisses Karlsruhe gefolgt sind, unseren Forderungskatalog entgegenzunehmen.
Dieser Katalog ist das Produkt eines längeren Entstehungsprozesses, an dem unsere Mitgliedsgruppen beteiligt waren. Sie brachten ihre Expertise ein – in den Bereichen Energie, Mobilität, Bauen und Sanieren sowie Klimaanpassung. Auf diese Weise wurden vielfältige Möglichkeiten für unsere Stadt erarbeitet, um der Klimakrise entgegenzuwirken. Das Dokument ist nicht statisch, sondern lebendig, denn wir werden es immer wieder an aktuelle Erfordernisse anpassen und weiterentwickeln. Es bildet also ab, wozu das Klimabündnis gerade steht.
Das Klimabündnis Karlsruhe ist ein Zusammenschluss aus über 60 Einzelorganisationen. Diese sind thematisch vielfältig aufgestellt – in der Fridays for Future Bewegung, im Naturschutz, im sozialen Bereich, in der Gemeinwohlökonomie, in der Mobilität, der Wissenschaft oder in Friedensinitiativen, um nur einige Bespiele zu nennen. Einige unserer Initiativen sind global tätig, andere bundesweit oder regional.
So ist dieser gemeinsame Katalog auch ein breit gefächerter Impuls aus der Karlsruher Bürgerschaft für eine partizipative Stadtentwicklung. Darüber hinaus ist das Dokument ein Angebot zum Dialog, denn wir möchten gerne mit Ihnen in den Austausch gehen und so Karlsruhes Bemühungen gegen die Klimakrise aktiv von Seiten der Bürgerschaft unterstützen.
Wir treffen uns heute am Tag des globalen Klimastreiktages. In aller Welt finden Kundgebungen statt, die auf eine der drängendsten Krisen der Welt hinweisen.
Der Klimawandel ist bei uns angekommen. Dieser Monat hat reale Aussichten, der trockenste März seit Beginn der Wetteraufzeichnungen zu werden, aktuell haben wir in der Region die Waldbrand-Gefahrenstufe drei von fünf. Solche Meldungen häufen sich und fast scheinen wir uns an sie zu gewöhnen.
Dabei müssen wir weitere, nicht mehr abwendbare Folgen zumindest abmildern. Es ist daher dringend geboten, die Klimaneutralität schneller als vorgesehen zu erreichen. Daher fordern die Gruppen des Bündnisses in Übereinkunft mit der Klimawissenschaft bereits 2035 die Klimaneutralität für Karlsruhe. Nur so lässt sich 1,5 °C-Ziel noch einhalten. Denn auch wir als Stadt sind dazu verpflichtet, unseren konkreten Beitrag zur Emissionsminderung zu leisten.
Dies kann und muss gelingen. Wir haben seriöse Studien und Berechnungen, die zeigen, dass das noch möglich ist. Wir haben das Wissen und die Techniken, um das umzusetzen. Dieses Gelingen hängt jetzt von unserem Willen und unbedingten Einsatz ab, das zu schaffen.
Wir rufen Sie daher auf, sich mit uns u. a. für eine Mobilitätswende in Karlsruhe einzusetzen, indem der ÖPNV z.B. durch ein 365€-Ticket gefördert wird, indem der Fuß- und Radverkehr gestärkt und der motorisierte Individualverkehr begrenzt wird. Setzen Sie sich weiter und nachdrücklicher dafür ein, dass der wichtige Bereich Bauen und Sanieren zur Energie- und Emissionseinsparung beiträgt. Wichtig sind auch Maßnahmen zur Klimaanpassung, denn gerade Karlsruhe wird aufgrund der geographischen Lage besonders von der Erwärmung betroffen sein. Alle Maßnahmen müssen sozial abgefedert werden, um Menschen in prekären Lagen nicht noch zusätzlich zu belasten.
Vor einem knappen Monat wurde ein weiterer IPPC-Berichtes veröffentlicht. Zu anderen Zeiten hätte der Bericht große mediale Wellen geschlagen, er wurde nun aber durch eine weitere Krise, dem Krieg in der Ukraine, überlagert.
Dieser Krieg legt schonungslos unsere Abhängigkeit von fossilen Energieimporten offen. Gerade auch in Karlsruhe sind Stadtwerke, Miro und andere Unternehmen davon besonders stark betroffen. Wir sehen, wie massiv sich diese Krise auf Kosten und Verfügbarkeit von Energien auswirkt. Wir sehen, welche Ängste und Sorgen damit bei Unternehmen und Bürgerinnen und Bürgern verbunden sind. Von dem großen menschlichen Leid der damit verbundenen Kriegsfinanzierung ganz zu schweigen.
Die Ukrainekrise rückt gerade in den Fokus, wie sehr wir hier nach wie vor auf fossile Energieformen setzen – und in welchem Ausmaß damit CO2-Emissionen in Karlsruhe verbunden sind.
Aber gleichzeitig stehen wir hier in Karlsruhe auch an einer ganz besonderen und bedeutenden Wegmarke! Denn aktuell läuft die Planung für die zukünftige Weichenstellung in der Energieleitplanung und der kommunalen Wärmeplanung. Gerade wird eruiert, welche Energieformen künftig die Stadt versorgen sollen.
Damit bietet sich eine historische Chance für Karlsruhe, effektive und zukunftsträchtige Maßnahmen gegen die Klimakrise zeitnah einzuleiten. Jetzt ist die Gelegenheit, im Angesicht multipler Krisen neue Denkansätze und neue Wege mutig zu beschreiten.
Die Versorgung mit klimaneutralen, dezentralen, regenerativen und kostensicheren Energien, die regional vor Ort produziert werden, schützt darüber hinaus soziale und ökonomische Belange unserer Stadt. Statt Energien teuer einzukaufen, haben wir die Chance, diese überwiegend selbst gewinnbringend und emissionsfrei zu produzieren. Sie als politische Entscheider können dazu beitragen, diese wichtige Forderung zu realisieren.
Warum spreche ich von einer historischen Chance? Der IPPC-Bericht sagt vor allem eines: Das Zeitfenster, in dem wir das Schlimmste noch abwenden können, schließt sich. Es schließt sich schnell und es schließt sich jetzt. Debra Roberts, die Co-Vorsitzende der IPPC-Arbeitsgruppe, sagte aber auch: „Wenn wir jetzt endlich richtig handeln, kann noch viel getan werden.“
In diesem „Jetzt“ liegt also unsere große Chance! Jetzt sind wir alle – Sie als politisch Verantwortliche, wir als Bürgerinnen und Bürger – zum Handeln verpflichtet! In diesem Sinne legen wir Ihnen unseren Forderungskatalog in die Hände! Setzen Sie sich jetzt und hier in Karlsruhe dafür ein, dass dieser wunderbare Planet ein Ort bleiben kann, auf dem wir, unsere Nachkommen und alle anderen Wesen sicher leben können.
Herzlichen Dank!”


Auf Einladung des Klimabündnisses waren bei der Übergabe heute zugegen:

Lukas Bimmerle (LINKE)
Thomas Hock (FDP)
Aljoscha Löffler (GRÜNE)
Yvette Melchien (SPD)
Roman Nicolaus (CDU)
Micha Schlittenhardt (FW | FÜR)

Die Fraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN haben bereits mit ersten schriftlichen Stellungnahmen auf die Forderungen des Klimabündnis Karlsruhe reagiert:

Stellungnahme LINKE Fraktion vom 25.3.22 – Übergabe Forderungskatalog Klimabündnis Karlsruhe
“Wir, die Fraktion der LINKEN im Gemeinderat, bedanken uns für die vorgestellten Forderungen des Klimabündnisses. Sie sind eine wichtige und notwendige Intervention in die aktuelle Politik, die bei weitem nicht ausreichend ist, um die Klimakatastrophe abzuwenden bzw. einzuhegen. Dies gilt trotz der Bemühungen in den letzten Jahren auch für die Stadt Karlsruhe. Uns freut es, dass viele Forderungen im Katalog enthalten sind, die die LINKE Fraktion in den vergangenen beiden Jahren im Zuge der Diskussion des Klimaschutzkonzepts gefordert hat. Hier ist natürlich das übergeordnete Ziel der Klimaneutralität bis 2035 zu nennen, was leider von fast allen Fraktionen im Gemeinderat wiederholt abgelehnt wurde. Dazu kommen Forderungen wie ein deutlich schnellerer Ausbau des Photovoltaik, attraktivere Preispolitik im Karlsruher Verkehrsverbund, Stärkung Rad- und Fußverkehr, autofreie Innenstadt und eine Entsieglung von Flächen. Anträge mit diesen Forderungen wurden leider in den vergangenen Jahren wiederholt abgelehnt.
Die Kommunalpolitik – Gemeinderat und Verwaltung – sind hier aufgefordert, mehr zu tun. In vielen Bereichen passiert dies noch nicht ausreichend. Entscheidend dafür ist die Bereitstellung von finanziellen Mitteln in den nächsten Haushalten der Stadt Karlsruhe und keine politische Lippenbekenntnisse. Dass die derzeitig finanzielle Situation der Stadt schwierig ist, ist bekannt genauso wie die Gründe für diese Defizite.
Daher braucht es drei wesentliche Mitteln: Fokussierung auf Klimaschutz in der Verwaltung durch z.B. Umschichtung personeller Ressourcen vom motorisierten Individualverkehr zur klimafreundlichen Mobilität und Verzicht auf Investitionen wie in die Umfahrung Hagsfeld, eine stärkere Einbindung von Bürger*innen im Bereich des Ausbaus des Photovoltaiks (wir schlagen hier zum Beispiel eine Klimagenossenschaft vor, um Bürgerkapital zu bündeln) und deutlich größere finanzielle Unterstützung von Bund und Land. Gerade im letzten Punkt sind die Bundes- und Landtagsabgeordneten der regierenden Parteien Region gefragt, hier in der Realität zu liefern. Die Kommunen allein sind nicht in der Lage diese Investitionen in Infrastruktur und Personal zu tätigen. Wir bedanken uns beim Klimaschutzbündnis für die Arbeit und werden diese Forderungen auch weiterhin im Gemeinderat unterstützen.”

Statement der Fraktion der GRÜNEN zum Forderungskatalog des Klimabündnisses vom 25.3.22
“Als GRÜNE stehen wir zum Klimaschutzkonzept der Stadt Karlsruhe. Daher war für uns die sichere Finanzierung ein entscheidendes Kriterium im Dezember bei den Haushaltsberatungen. Dies ist für uns auch in der akuten Phase der Haushaltssicherung maßgeblich. Denn wenn wir jetzt bei Klimaschutzmaßnahmen sparen, werden diese nur teurer. Und die Schäden durch die Klimakrise können unbezahlbar werden.
Je früher wir eine klimaneutrale Welt – und ein klimaneutrales Karlsruhe – erreichen, desto besser. Wichtig sind dabei aber geeignete Maßnahmen und nicht nur Zielvorgaben. Denn wenn wir jetzt einfach nur das Ziel 5 Jahre vorziehen, erreichen wir nichts. Wenn, dann müssen wir auch zusätzliche Maßnahmen in das Klimaschutzkonzept aufnehmen und die bestehenden schneller umsetzen.
Ohne Änderungen auf Bundes- und Landesebene werden wir unsere Ziele verfehlen. Nehmen wir den Gebäudesektor: Der Bund hätte es in der Hand, Passiv- oder Plusenergie-Häuser als Standard zu definieren. Als Kommune haben wir leider nur einen direkten Einfluss auf die eigenen Gebäude. Da müssen wir dann mit gutem Beispiel vorangehen.
Im Forderungskatalog sind einige Maßnahmen enthalten, die wir in Karlsruhe umsetzen können. Und wir wollen diese umsetzen: Der Ausbau der Photovoltaik und die Zusammenarbeit mit Bürger-Energie-Genossenschaften, eine klimaneutrale Wärmeversorgung in neuen Baugebieten. Mit dem Projekt „Öffentlicher Raum und Mobilität in der Innenstadt“ wollen wir eine autofreie Innenstadt erreichen, und das weit vor 2030.
Es ist aber auch leider so, dass der Forderungskatalog Punkte enthält, bei denen wir als Kommune keine Handlungsmöglichkeiten haben. Wir würden sehr gerne striktere Vorgaben zur Energieversorgung, zu Baumaterialien und grauer Energie in Bebauungsplänen machen. Wir dürfen es aber nicht. Ebenso dürfen wir nicht Tempo 30 im Stadtgebiet anordnen, auch wenn jede Vernunft dafürspricht. Hier ist die Bundesregierung gefragt!
Wir sind in Karlsruher glücklicherweise im Bereich der Klimaanpassung bereits gut aufgestellt. Die grundlegenden Kartierungen und Konzepte sind erstellt. Damit sind wir weiter als viele anderen Kommunen. Es ist jetzt unsere Aufgabe, diese Konzepte in die Realität umsetzen und Flächen zu entsiegeln und öffentliche Räume kühler zu gestalten. Gerade in diesem Punkt, der neuen Gestaltung des öffentlichen Raums, liegen auch viele Synergieeffekte: Es wird eine umweltfreundliche Mobilität gefördert und der öffentliche Raum wird lebenswerter und fördert den sozialen Austausch in den Nachbarschaften.

Aljoscha Löffler,
Fraktionsvorsitzender von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Karlsruher Gemeinderat”

Stellungnahme der SPD-Fraktion vom 25.3.22

“Die Karlsruher Sozialdemokratie sieht den Klimawandel als die größte Aufgabe unseres Jahrhunderts an. Gerade deswegen sind wir zivilgesellschaftlichen Bündnissen wie dem Karlsruher Klimabündnis sehr dankbar, denn wir wissen, wie viel Zeit notwendig ist, um solch gute Ideen und Forderungen auszuarbeiten.

Wir haben gemeinsam mit vielen Kollgeinnen aus den anderen Fraktionen, der Stadtverwaltung, vielen Expertinnen aus der Forschung und der Zivilgesellschaft ein umfassendes Klimaschutzkonzept für Karlsruhe entwickelt. Dieses Konzept umfasst 70 Maßnahmen und deckt nach wissenschaftlichen Erkenntnissen alle wichtigen Gebiete ab, die wir als Kommune zur Bewältigung der Klimakrise beitragen können. In den Haushaltsjahren haben wir pro Jahr über 50 Millionen Euro Mittel zur zügigen Umsetzung des Klimaschutzkonzeptes zur Verfügung gestellt. Als SPD haben wir darüber hinausgehend u.a. Mittel zur Umsetzung eines Hitzeaktionsplans beantragt.
Auch in den kommenden, schwierigen Haushaltsjahren, werden wir geschlossen hinter dem KSK stehen und als Treiber auf die konsequente Umsetzung pochen. Und auch mit weiteren Anträgen und Initiativen bspw. zu Verbesserungen für Fußgängerinnen und Radfahrerinnen bringen wir uns im Karlsruher Gemeinderat ein.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass wir von entscheidenden politischen Weichenstellungen auf Bundes- und Landesebene maßgeblich abhängen. Das Land Baden-Württemberg hat in den letzten Jahren eindeutig zu wenig Unterstützung geliefert und lässt uns Kommunen im Regen stehen. Das sieht man vor allem an einem aktuellen Beispiel rund um das Jugendticket für 365 Euro. Das Land feiert sich und die Kommune zahlt die Rechnung. Gestern hat der Bund mit seiner „9 für 90“ Initiative einen Wege aufgezeigt, wie es auch anders geht.

Wir werden die Klimawende nur gemeinsam mit allen Bürgerinnen und Bürgern in die Wege leiten können. Wichtig ist es für uns, dass die Kommunen finanziell besser ausgestattet werden, um den Problemen vor Ort entgegenzuwirken. Sozialpolitik und Klimapolitik dürfen hierbei nicht gegeneinander ausgespielt werden. Die Klimakriese steht in direktem Zusammenhang mit sozialer Ungerechtigkeit. Denn eines ist klar: Wenn wir die Klimawende schaffen wollen, dann müssen wir alle an einem Strang ziehen. Und nichts steht dem mehr im Weg als die Gefährdung des sozialen Friedens.

SPD-Fraktion Karlsruhe”